Recht auf Leben – auch auf Sterben?

Auf Einladung des Fördervereins Hospiz Louise sprach Prof. Dr. Paul Kirchhof über das komplexe Thema der Sterbehilfe

 

Von Steffanie Richter

 

Recht auf Leben – auch auf Sterben? Pflegekräfte, Ärzte und Angehörige sind immer mal wieder mit Todeswünschen schwerkranker Menschen konfrontiert. Manche Menschen wünschen sich nichts sehnlicher, als dass „endlich alles vorbei“ wäre. Die Gründe für den Wunsch zu sterben – freiwillig, selbstbestimmt und mit Hilfe von Dritten – sind vielfältig. Es sind ganz grundlegende Gedanken, mit denen sich viele Menschen als Betroffene, Angehörige oder Freunde irgendwann in ihrem Leben beschäftigen.

 

 

Entsprechend groß war das Interesse an dem Vortrag von Prof. Paul Kirchhof, der im Oktober 2023 auf Einladung des Fördervereins Hospiz Louise im Haus der Begegnung in Heidelberg das komplexe Thema der Sterbehilfe aus seiner Expertensicht beleuchtete.

Foto: Steffanie Richter, v.l.n.r: Hospizleiter Frank Schöberl, Prof. Paul Kirchhof, Jutta Kirchhof und Manfred Albrecht (beide Vorstandsmitglieder des Förderverein Hospiz Louise e.V.)

Foto: Steffanie Richter, v.l.n.r: Hospizleiter Frank Schöberl, Prof. Paul Kirchhof, Jutta Kirchhof und Manfred Albrecht (beide Vorstandsmitglieder des Förderverein Hospiz Louise e.V.)

Manfred Albrecht, Vorstandsmitglied des Fördervereins, begrüßte Herrn Kirchhof herzlich und führte kurz in die Leitfrage des Abends ein: Wie kann die Balance zwischen Selbstbestimmung und Lebensschutz gestaltet werden?

Um den Hintergrund der Debatte zu verstehen, erklärte Kirchhof in seinem Vortrag zunächst die rechtliche Entwicklung der letzten Jahre. 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht die Politik dazu verpflichtet, eine Gesetzesregelung zur Suizidbeihilfe zu finden. Die Richter erklärten das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig, solange nicht jeder Einzelne tatsächlich Hilfe zum selbstbestimmten Sterben finden könne. Das Gericht stellte demnach ein Grundrecht jedes Menschen auf Inanspruchnahme von Hilfe zur Selbsttötung fest – und zwar selbstbestimmt, unabhängig von Alter, Krankheitszustand und einer medizinischen Indikation. Seit diesem Urteil wurde im Bundestag über eine gesetzliche Regelung zur Suizidbeihilfe diskutiert.

Es standen schließlich zwei Gesetzesentwürfe, die von fraktionsübergreifenden Gruppen erarbeitet wurden, zur Abstimmung: Der eine Vorschlag sah vor, dass Ärztinnen und Ärzte ein Mittel zur Selbsttötung grundsätzlich unter gewissen Voraussetzungen verschreiben dürfen. Der andere Vorschlag sah eine grundsätzliche Strafbarkeit vor, aber mit geregelten Ausnahmen. Dafür sollte die Person, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, volljährig sein, sich mindestens zwei Mal von einem Facharzt für Psychiatrie untersuchen lassen und ein Beratungsgespräch absolvieren. Beide Gesetzesentwürfe fanden im Juli 2023 im Bundestag keine Mehrheit.

Eigentlich sollte eine gesetzliche Regelung Klarheit für Patienten, Angehörige und Ärzte schaffen. Durch das Scheitern der beiden Gesetzesentwürfe zur Suizidassistenz ist jedoch nach wie vor „keine rechtliche Lösung in Sicht“, so Kirchhof.

„Die Lösung kommt wohl aus der Praxis, sie kann nicht in eine rechtliche Norm gepresst werden“. Selbsttötung sei nicht verboten und nicht strafbar. Anders als die Fremdtötung, hier mache sich der Helfer einer Straftat schuldig – im Unterschied zur Beihilfe zu der nicht strafbaren Selbsttötung.

Die Rechtslage, so Kirchhof, sei diffus: Die gewerbliche Sterbehilfe sei zwar nicht verboten, der Staat sei aber auch nicht verpflichtet, schwerstkranken Menschen den Zugang zu einem Suizid-Mittel zu verschaffen. Kein Mensch könne demnach dazu verpflichtet werden, einem anderen zum Sterben zu verhelfen. Schwerkranke Menschen haben jedoch die Möglichkeit, Ärzte aufzusuchen, die ihnen bei einem Suizid helfen. Wichtig, so Kirchhof, sei das Gebot, den Sterbewunsch immer eingehend zu prüfen. Es käme ganz wesentlich auf das Motiv des Sterbewilligen an – denn die Entscheidung sei unumkehrbar, sie müsse ernsthaft und dauerhaft sein. Er zitierte das Ergebnis einer Studie, nach dem 90 Prozent derer, die einen Suizid versucht haben, es nicht noch einmal machen würden.

Sterbehilfe müsse eine Randerscheinung bleiben, sie dürfe keinen Druck ausüben, erklärte Kirchhof. Der Wunsch müsse unabhängig von Zwang und Bedrohung sein. „Das Recht auf einen selbstbestimmten Tod darf nicht zu einer Normalität oder zu alltäglicher Beliebigkeit führen. Wenn beispielsweise ein ungeduldiger Erbe seine kranken Eltern oder Großeltern zur Selbsttötung drängen würde, dann hat der Staat das Leben zu schützen“, führte Kirchhof aus.

Es sei also auch in Zukunft wichtig, die Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung weiter auszubauen, um Menschen ein würdiges und lebenswertes Lebensende zu ermöglichen. „Es ist ein Gebot der Humanität, den Menschen in seinen letzten Stunden zu begleiten und ihm die Einsamkeit zu ersparen“, betonte Paul Kirchhof am Ende seines Vortrags.

Die Ausführungen von Paul Kirchhof hinterließen die Zuhörenden sichtbar bewegt. Es wurden noch viele Fragen an Herrn Kirchhof gerichtet – wie zum Beispiel zu der Ausgestaltung von Patientenverfügungen und andere mehr.

Sterben ist ein Prozess, der sich oft über Tage, manchmal Wochen hinzieht. Die meisten Menschen wünschen sich, nicht alleine zu sterben. Beim nahenden Tod geht es schon immer darum, das Lebensende geschützt und würdevoll zu gestalten. Dass es einen Ort gibt, wo alle Fragen erlaubt sind, ohne dass direkte Handlungsfolgen abgeleitet werden. Genau dafür steht die Hospizbewegung. Denn hier wird die Sicherheit gegeben, dass es Möglichkeiten gibt, dass das Leben würdig zu Ende gelebt werden kann, dass die Selbstbestimmung des Sterbenden in dieser Zeit gestärkt wird sowie auch dessen Fähigkeit, selbstbestimmt Hilfe annehmen zu können.

 

Zur Person

Paul Kirchhof ist Professor für öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Am 7. Juni 2013 hielt er seine Abschiedsvorlesung. Seit seiner Ernennung zum Seniorprofessor distinctus der Universität Heidelberg im Jahr 2013 wirkt Kirchhof weiterhin als Wissenschaftler und Publizist. Von 1987 bis 1999 war er Richter des Bundesverfassungsgerichts.

 

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Den Weg der Trauer nicht alleine gehen – mit dem Trauercafé bietet das Hospiz Louise Trauernden einen Raum für gemeinsamen Austausch

Foto v.l.n.r.: Hospizleiter Frank Schöberl; Regina Rückert-Sperker, Trauerbegleiterin; Johanna Helfrich, Pflegedienstleitung; Margret Adlkirchner, leitende Trauerbegleiterin

Seit dem dem 26. Februar 2020 bietet das Hospiz Louise in der Heidelberger Weststadt einmal im Monat von 16 bis 17.30 Uhr ein offenes Trauercafé an. Eingeladen sind erwachsene Trauernde, deren Verlust etwa acht Wochen und länger zurück liegt.

Nach dem Verlust eines geliebten Menschen ist es für viele Trauernde schwer, wieder in den Alltag zurückzufinden. Dabei hilft der Austausch mit anderen betroffenen Menschen. Ziel des Trauercafés ist es, außerhalb der eigenen vier Wände durch gemeinsame Gespräche in Kontakt mit Menschen in einer ähnlichen Situation zu kommen. Trauernde sollen und dürfen sich die Zeit nehmen, ihre Trauer zu leben. „Mit dem Trauercafé schaffen wir einen Ort, an dem sich Trauernde begegnen, sich miteinander austauschen und erinnern. Die auftretenden Fragen, Unsicherheiten und Ängste der An- und Zugehörigen wollen wir zeitnah begleiten. Trauernde erhalten Informationen über Trauerprozesse, verschiedene Begleitungsangebote und können den jeweiligen Unterstützungsbedarf klären. Und dadurch selbst Begleitung erfahren“, erklärt Margret Adlkirchner, die das Angebot leitet.

 

Margret Adlkirchner ist ausgebildete und erfahrene Trauerbegleiterin. Sie wird von weiteren Trauerbegleiterinnen unterstützt. Das Team verfügt über unterschiedliche Weiterbildungen zum Thema Trauer und zu den vielfältigen Phasen, die Trauernde erleben.

Das Trauercafé findet einmal im Monat von 16 bis 17.30 Uhr statt und wird im Hospiz Louise, Wilhelmstraße 3 im Seminarraum (Dachgeschoss) durchgeführt. Das Angebot ist kostenfrei und unabhängig von Alter, Weltanschauung und Nationalität und wird von ausgebildeten Trauerbegleiterinnen betreut. Das Hospiz bittet um eine verbindliche Anmeldung entweder per Mail: trauerbegleitung@hospiz-louise.de oder telefonisch unter 06221-705060 (auch für Rückfragen).

Weitere Informationen zum Angebot und zu den Terminen finden Sie hier.

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SAP Arena unterstützt das Hospiz Louise in der Heidelberger Weststadt – 5 000 Euro statt Weihnachtsgeschenke

vlnr: Manfred Albrecht, Schatzmeiser des „Fördervereins Hospiz Louise“; Daniel Hopp, Geschäftsführer SAP Arena; Frank Schöberl, Hospizleiter

Am 19. Dezember überreichte Daniel Hopp, Geschäftsführer der SAP Arena, einen Scheck über 5.000 Euro an das Hospiz Louise. Die Einrichtung in der Heidelberger Weststadt, in der Menschen ihre letzte Lebenszeit verbringen, ist auf regelmäßige Spenden angewiesen. Ein 700 Mitglieder starker Förderverein unterstützt das Hospiz.

 

Hospizleiter Frank Schöberl und Schatzmeister des „Fördervereins Hospiz Louise“ Manfred Albrecht nahmen den Spendenscheck dankend entgegen. Jede Spende sei wichtig, betonten beide, da das umfassende Angebot für sterbende Menschen und ihre Angehörigen über die Leistungen der Pflege- und Krankenkassen hinausgeht.

„Das Hospiz ist eine unglaublich wichtige Einrichtung. Ich habe allergrößten Respekt vor Ihrer Tätigkeit“, sagte Daniel Hopp bei seinem Besuch im Hospiz und zeigte sich sichtlich beeindruckt von den Grundsätzen und Aufgaben der Hospizarbeit.

„In einem Hospiz sollen sich die Menschen als Gäste fühlen, nicht als Patienten“, erklärte Schöberl. Dabei schließt die Hospizarbeit auch die Begleitung der Angehörigen und Freunde mit ein, auf Wunsch auch über den Tod des Kranken hinaus. Im Mittelpunkt steht der Kranke und seine Angehörigen mit seinen körperlichen, sozialen, seelischen und spirituellen Bedürfnissen, sagte Frank Schöberl und fügte hinzu: „Man kann noch so viel tun, wenn nichts mehr zu tun ist. Einen Menschen gut zu begleiten, ist etwas sehr Schönes.“

Das Hospiz Louise in der Heidelberger Weststadt gehört zu den Pionieren der Hospizarbeit in Deutschland. Es wurde 1992 von Ordensschwester Anna-Lioba gegründet und war damals das fünfte Hospiz in Deutschland. Träger der Einrichtung ist der Freiburger Orden der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, genauso wie beim benachbarten St. Josefskrankenhaus. Unter Leitung von Frank Schöberl sind zurzeit 18 hauptamtliche Pflegefachkräfte mit „Palliative Care“-Fortbildung im Einsatz. Sie werden unterstützt von einem Team aus 14 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen.

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